Pressemeldung: Strabse und Möhren beim Starkbierfest in Auernheim

"SPD-Bashing ist ja schon ein richtiger Sport, wenn auch noch nicht olympisch!" Selbst am Abend vor dem mit Hoffen und Bangen erwarteten GroKo-Votum konnte (oder musste) die Treuchtlinger SPD bei ihrem traditionellen Starkbierfest in Auernheim noch über sich selbst lachen.

Bei der Gründung der Münchner Räterepublik 1919 hätten ebenfalls „drei Sozialdemokraten, die einander spinnefeind waren, zusammen etwas auf die Beine gestellt – fast wie heute in der SPD“, piesackte die Landtagsabgeordnete und gebürtige Möhrenerin Ilona Deckwerth ihre Genossen – und stahl dabei der „Frankonia“ alias Anette Pappler fast die Show. Textlich geleitet von Starkbierredenschreiber Peter Salisch, nahm diese zusammen mit Ortsvereinschef Stefan Fischer vor rund 70 gut gelaunten Besuchern die große und kleine Politik gewohnt spitz auf die Schippe. Den lautesten Applaus aber erntete die 57-jährige „Heimkehrerin“ aus Füssen, die das diesjährige Bierfest mit ihrem augenzwinkernden Blick auf das Dasein als Hinterbänklerin im Maximilianeum auch inhaltlich richtig „stark“ machte.

Den Anfang machte im Gasthaus Weberndorfer SPD-Ortsvorsitzender Stefan Fischer. Unter der sozialdemokratischen Lokalprominanz, darunter die Landtagskandidaten Christa Naaß, Harald Dösel und Norbert Ringler, wandte er sich zunächst an Treuchtlingens Bürgermeister Werner Baum: „Lass Dich nicht unterkriegen von den Kritikern“, ermutigte er ihn. „Nimm sie ernst, aber die Unverbesserlichen überzeugst Du nur durch Taten.“

Klar, wer damit gemeint war: Diejenigen CSU-Stadtratsmitglieder, die in der Vorwoche gegen den neuen Haushalt gestimmt hatten, zuvor aber nur Nörgelei und „Schaufenster-Anträge“ zu bieten gehabt hätten. „Die Schwarzen geben sich immer betriebswirtschaftlich, aber gerade die Unternehmer sparen jetzt nicht, sondern investieren in die Zukunft“, so Fischer. Wenn die Treuchtlinger SPD auf die CSU gehört hätte, dann „hätten wir heute auch kein neues Seniorenheim, keine Bezirksklinik und keine Entwicklung in der Stadtmitte“.

Gerade letztere werde mittlerweile auch von den Einzelhändlern positiv wahrgenommen, betonte der Ortsvorsitzende. Sogar über die anfangs von der SPD befürwortete Einbahnregelung in der Bahnhofstraße werde wieder sinniert. Aber auch Lob hatte Fischer für den politischen Gegner parat: Bei der „wichtigen und unumgänglichen“ Modernisierung der Altmühltherme ziehe der gesamte Stadtrat an einem Strang.

Allen Treuchtlingern riet der Gastgeber, „ein positives Bild ihrer Stadt nach außen zu tragen, denn Schwarzmaler braucht niemand.“ Genauso optimistisch sieht Fischer auch die nun wohl erneut anstehende Große Koalition in Berlin: Er persönlich „hoffe, dass meine Partei, auch wenn sie in eine neue Regierung eintritt, um die Sache streiten wird – nicht nur mit dem politischen Gegner, sondern auch mit dem Partner“. Denn nur durch eine offene, demokratische Streitkultur könne man „den Rechtsbruch-Populisten von der AfD Paroli bieten“.

Ins selbe Horn stieß Ilona Deckwerth. Die SPD-Abgeordnete und Sprecherin für Menschen mit Behinderung und Inklusion, die als Nachrückerin seit einem Jahr für den Wahlkreis Kempten-Oberallgäu im bayerischen Landtag sitzt („ein großes Abenteuer“), warnte, dass „Zuspitzung bei der Frankonia lustig, im politischen Alltag aber schlecht ist“. In Zeiten von AfD, Trump („der übertrifft jede Satire“) und Erdogan, die „die urdemokratische Suche nach Kompromissen im Parlament als ,Quasselbude‘ madig machen und denken, es gebe die eine, einzig richtige Lösung“, scheine Demokratie kein Selbstläufer mehr zu sein. Umso wichtiger sei es, „zu wählen, auch mal in die Parlamente zu gehen und zuzuschauen, wie sie funktionieren, oder sogar selbst Politik zu machen“. Demokratie müsse wehrhaft und sinnvoll sein, aber auch Spaß machen – jedoch nicht auf Kos­ten anderer.

Scharfer Blick von hinten

Laute Lacher erntete Deckwerth mit ihren Anekdoten aus dem Alltag als „Hinterbänklerin“ im Landtag. Denn von ganz hinten, unbeachtet von Medien und den politischen Alphatieren, lasse es sich gut beobachten. Bezeichnend sei zum Beispiel, dass bei der Abstimmung über den Nachtragshaushalt vergangene Woche – immerhin eine Milliarde Euro, die die SPD für soziale Zwecke verwenden wollte – ausgerechnet zwei wichtige Leute nicht im Plenarsaal gewesen seien: Ministerpräsident Horst Seehofer und Finanzminister Markus Söder. Vielleicht liege das daran, dass Seehofer „in den letzten Wochen schon als Flüchtling in Berlin war“, wo er auf einen Ministerposten hoffe – „wenn wir ihm das erlauben“, mutmaßte die 57-jährige Sonderpädagogin. Bei Söder sei der Grund auf jeden Fall der, dass vor dem Saal die Presse wartete, und die sei natürlich wichtiger.

Ihr Fett weg bekamen daneben der CSU-Frauenbeauftragte Steffen Vogel („legendäre Reden“) und die Freien Wähler als „erotischte Fraktion im Parlament, die sich tagein, tagaus nur mit Strabsen beschäftigt“ (der Straßenausbaubeitragsgsatzung, kurz „Strabs“ – d. Red.). Da komme die CSU „richtig in Wallung“. Und auch die eigene Partei musste einste­cken – was die SPD aber könne, „wenn auch nicht immer ganz freiwillig“, so Deckwerth. Die neue GroKo sehe sie als „die große Chance, mit einem Wahlergebnis von 20,5 Prozent über 70 Prozent des Regierungsprogramms zu entscheiden“.

Putin und die AfD, Trump, Erdogan und „Kim, der dicke Diktator aus Nordkorea“, sowie das Zwangsehepaar „Hors­ti und Angela“ beschäftigten auch Anette Pappler bei ihrem mittlerweile vierten Auftritt als Starkbiergöttin „Frankonia“ in Auernheim. Generell SPD-freundlich gesinnt, schaute sie aber auch in Sachen Sozialdemokratie dem Volk aufs Maul und befand: „Gott weiß alles, die SPD weiß alles besser.“ In den oft gereimten Worten des Schambacher Redenschreiber-Urgesteins Peter Salisch ging es danach schnell weiter in die Untiefen der altmühlfränkischen Lokalpolitik.

„Die höchste Form der Streitkultur pflegte bislang der Pappenheimer Stadtrat nur. Doch an so manchen guten Tagen konnte sich auch Treuchtlingen heranwagen“, stichelte die Frankonia. Ob das Windpark-Aus im vergangenen Jahr in Auernheim, die Lärmschutzmauer in Schambach, die Doppel-Brandstiftung in Wettelsheim  oder Dietfurt mit seinen Tunnel-Plänen für „die letzte Ortsdurchfahrt vor der Adria“ (Bürgermeister Baum: „Hoffentlich!“) – jedes Treuchtlinger Dorf und jede Nachbarkommune muss­te ein paar Seitenhiebe aushalten.

Treuchtlinger Baustellen

Mit Blick auf die Altmühlstadt selbst wunderte sich die fränkische Derbleckerin, warum die Bauarbeiten an Senefelder-Schule und Thermalbad stocken, während das neue Altmühltaler-Lager in Nullkommanix hochgezogen wurde. Ob das an der Planung liege? Und in Sachen Strabs bevorzuge sie ja warme Strumpfhosen – die sie unter dem Johlen des Publikums in Knallrot entblößte.

Als Erfolg ihrer letzten Frankonia-Rede verbuchte Pappler indes, dass die Luitpold-Arkaden nun frisch gestrichen seien. Bis zum nächsten Mal sei nun die ehemalige „Bärenwirtschaft“ in der Hauptstraße (heute China-Restaurant „Kim Long“) an der Reihe. Ganz ohne das Zutun der Starkbiergöttin würden sich schließlich die Jäger zum Narren machen, die im Zeichen der Schweinepest kürzlich mit 60 Mann auf Wildschwein-Pirsch gegangen seien und immerhin ein einziges Jungtier zur Strecke gebracht hätten.

Für Überraschung und dann für einen stehend singenden Saal sorgte zum Schluss ein Lied, dass sich überraschenderweise im bayerisch-katholischen Gotteslob findet: die Bayernhymne. Für Hauptrednerin Ilona Deckwerth gab es dagegen einen Blumenstrauß mit lokaler Note: Möhren aus ihrem gleichnamigen Geburtsort.