Eine Plackerei ist es für Menschen, die mit großem Gepäck unterwegs sind, auf den Allgäuer Bahnhöfen, die bis heute nicht barrierefrei ausgebaut sind. „Für Menschen mit Behinderung ist es nicht nur anstrengend, sondern schlicht eine echte Einschränkung, die die Teilhabe am ganz normalen Leben erschwert“, kritisiert die SPD-Landtagsabgeordnete für Kempten und das Oberallgäu, Ilona Deckwerth, die auch Sprecherin für Menschen mit Behinderung der SPD-Landtagsfraktion ist. Sie wollte von der Staatsregierung wissen, wie hoch das Fahrgastaufkommen an den bis heute nicht barrierefrei ausgebauten Bahnhöfen in Schwaben ist und stellte dazu eine Anfrage zum Plenum im Bayerischen Landtag.
Staatsminister Joachim Herrmann sieht laut seiner Antwort auf die Anfrage Deckwerths zuständigkeitshalber zunächst die Bahn wie auch den Bund in der Pflicht. Freiwillige Fördermittel des Freistaats würden bereits zur Verfügung gestellt, aber nur für verkehrlich besonders wichtige Bahnhöfe. Diese Antwort ist für Ilona Deckwerth nicht zufriedenstellend: „Man muss sich schon fragen, warum z.B. der Kemptener Hauptbahnhof mit 5.000 bis 10.000 Fahrgästen täglich oder Bahnhöfe wie etwa Immenstadt mit 2.500 bis 5.000 Ein- und Aussteigern oder Oberstaufen, Oberstdorf und Sonthofen mit einer Nutzerfrequenz zwischen 1.000 und 2.500 Fahrgästen täglich nicht zu diesen „verkehrlich besonders wichtigen“ Bahnhöfen gehören“. Ihr Landtagskollege Dr. Paul Wengert aus dem Ostallgäu bläst ins selbe Horn: „Angebracht wäre längst mindestens der barrierefreie Ausbau in Kaufbeuren mit 2.500 bis 5.000 Fahrgästen pro Tag.“
Die beiden Allgäuer SPD-Abgeordneten kritisieren die Kriterien, nach denen die Staatsregierung den Bedarf ermittelt, als unzureichend. Bisher sind das die Anzahl der Ein- und Aussteiger, die Knotenfunktion des Bahnhofs, der besondere Bedarf (z.B. bei Behinderteneinrichtungen vor Ort) und der Abstand zur nächsten barrierefreien Station. Völlig außer Acht lassen diese Kriterien die speziellen Anforderungen des Allgäus als Tourismusregion. Insbesondere in touristisch stark frequentierten Gebieten wie dem Oberallgäu und dem Ostallgäu profitieren nicht nur Menschen mit Behinderung von der Barrierefreiheit, sondern auch die vielen Gäste, die in Bayern Urlaub machen und so unseren Wirtschaftsstandort stärken. Außerdem ist längst klar, dass ein barrierefreier Ausbau für alle Menschen mehr Komfort bedeutet. Der unzureichende barrierefreie Ausbau ist also eine echte Fehleinschätzung. Die Staatsregierung setzt hier falsche Prioritäten. Und auf andere Zuständigkeiten zu verweisen, hilft den Menschen gar nichts und löst das Problem auch nicht. Wengert und Deckwerth fordern daher deutlich mehr freiwillige Leistungen für den barrierefreien Ausbau von Allgäuer Bahnhöfen. „Das ist nicht nur menschenfreundlich, sondern auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten dringend notwendig“, sind sich die beiden einig.